Omnibusspritze

Die "alte Spritze"

Recherchiert von Torsten D. Gschweng
Der ganze Stolz unserer Dorffeuerwehr ist die alte, sogenannte 
Omnibusspritze

  Diese - in ihrer Art vermutlich einzige noch existierende Spritze in Deutschland - bekam im Jahr 2014 einen Unterstand gebaut, in dem sie nun angemessen bewundert werden kann. 

  Zu besonderen Gelegenheiten wird sie hervorgeholt und darf ihr Können unter Beweis stellen. Beim jährlichen Kerbeumzug chauffiert sie unsere Jugendfeuerwehr.

  Leider sind im Laufe der Jahre die beiden „Bocklaternen“ und die „Signalglocke“ abhanden
gekommen. Für Hinweise, wie wir an Ersatz kommen, sind wir sehr dankbar!

  Auch freuen wir uns, weiteres Wissenswertes über unsere Spritze zu erfahren und über Kontakt zu anderen alten „Spritzen“.
tdg

Beschreibung und Geschichte

Vierrädrige Saug- und Druckspritze

Wagen auf Federn mit gebogenem Eisenrahmen, Größe 4.

Zylinder-Durchmesser: 125mm

Bedienung: 12 Mann

Wasserlieferung: ca. 300 Liter bei 55 Doppelhub pro Minute

Wurfweite: aus 1 Rohr ca. 32 Meter, aus 2 Röhren ca. 26 Meter

Fabriknummer: 7786

Zeitgenössischer Preis in Mark (ohne Leiter): 2130,--

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Sehr wahrscheinlich 1906 produziert bei der "Nürnberger Feuerlöschgeräte- und Maschinenfabrik AG", vormals "Justus Christian Braun".
"Diese Spritzen haben vorn 2 Bocksitze mit 2 Bocklaternen nebst Signalglocke, über dem Werk 2 Längssitze für 8 - 10 Mann, sowie rückwärts noch 2 Sitze und am Trittbrett eine Anhängvorrichtung für einen fahrbaren Schlauchhaspel. Die Spritzen sind zum Mittransport einer Schiebleiter gerichtet.
 Die Fusstritte werden beim Arbeiten einfach in die Höhe geschlagen, so dass das Werk zur Bedienung vollständig frei ist."  

"Zubehör: 7 Meter Saugschlauch in 4 Abtheilungen, 30 Meter Hanfschläuche mit 3 Gewinden, 2 Strahlröhren mit 4 Mundstücken, ein metallener Seiher zum Abschrauben mit Weidenschutzkorb, die erforderlichen Schraubenschlüssel, Oelkanne, und Holzhammer.
 Die Saugschläuche sind behufs Schonung derselben mit starker Schnur umwickelt.
 Jeder Spritze wird eine gedruckte Gebrauchs-Anweisung über Handhabung derselben beigegeben."
  Laut Deutschem Feuerwehrmuseum in Fulda wurde 1905 ein Gerät mit der Fabriknummer 7505 für die Feuerwehr in Haina/Thüringen produziert. Es steht heute im Feuerwehrmuseum in Römhild.
  1907 wurde ein Gerät mit der Fabriknummer 8119 für die Feuerwehr Kaldorf im fränkischen Jura produziert.
  Aufgrund der Fabriknummer 7786 gehen wir davon aus, dass unsere Omnibusspritze im Jahr 1906 bei J. Braun in Nürnberg produziert und an die Feuerwehr in Biebrich geliefert wurde.
  Biebrich wurde 1926 ein Stadtteil von Wiesbaden, so dass die Spritze wohl von der dortigen Stadtverwaltung/Berufsfeuerwehr verkauft wurde.

  Ob sie direkt an die damals selbstständige Gemeinde Dickschied oder über Umwege zu uns kam, ist heute leider nicht mehr feststellbar.

  Vermutlich aber noch in den späten 1920er Jahren trat sie hier in der Gemeinde Dickschied ihren wertvollen Dienst an und bewährte sich in vielen Einsätzen sowohl im Ort, als auch in den Nachbardörfern.

  Im Jahre 1948 durch einen Kraftspritzenkarren ersetzt, wurde sie nicht - wie seinerzeit üblich - verschrottet, sondern im damaligen Spritzenhaus an der Alten Schule untergestellt. 
  Nachdem 1997 die jetzige Feuerwehrunterkunft im neuen DGH bezogen wurde, fand sie bis 2014 Unterstand in der Scheune eines Feuerwehrkameraden.

Heute können wir sie im neuen "Spritzenhaus" angemessen bewundern.

Die in dieser Art einzige bekannte Omnibusspritze!

  "Omnibus" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet übersetzt "für Alle". Der uns geläufige Omnibus unterscheidet sich z.B. vom Taxi, indem er nicht nur für den jeweiligen Besteller, sondern für alle Fahrgäste fährt.
  Die "Omnibusspritze" beförderte nicht nur die Pumpmannschaft, sondern auch die Steiger mit ihrer Leiter, die anderenfalls getrennt fahren mussten.

  Unsere alte Spritze ist funktionsfähig und wirft, nachdem das Saug- und Pumpwerk und sämtliche Ventile gangbar gemacht wurden, wieder ordentlich Wasser. Leider hat an den Saugschläuchen der Zahn der Zeit so stark genagt, dass sie nicht mehr eingesetzt werden können. Aber auch schon beim Einsatz aus ihrem Wassertank ist die dazu notwendige Muskelkraft ganz enorm!  

  Eine authentische Restaurierung kann nur nach einem Befund an einem Original durchgeführt werden, da u. A. die zahlreichen Zierlinien und Farben genau dokumentiert werden müssen. Da weder ein Objekt, noch geeignete Fotos zur Verfügung stehen, werden wir die Spritze in ihrem jetzigen patinierten Zustand erhalten, bevor ein gutgemeinter Versuch Substanz zerstört.

Genau so, wie sie 1948 ausgemustert wurde!
tdg
  • Ein großer Dank geht an Herrn G. Schrammen vom Deutschen Feuerwehrmuseum Fulda, für wertvolle Informationen zu unserer Spritze.
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